Technologisierung

Technologsierung ist Licht und Schatten zugleich. Eine polemische Reflexion darüber, warum Technikaneignung erforscht & gefördert werden muss.

Der eindimensionale Zeitgeist

Aktuell findet ein Rennen um sogenannte künstliche Intelligenz statt. Vor unseren Augen, und doch oft unbeobachtet. Paradoxerweise schauen die AI Firmen ganz genau hin: ob die eintrudelnden E-Mails über Nacht, Musik nach dem Aufstehen, der Weg auf Arbeit, Suchen im Internet; jeder unserer Schritte wird ständig bis ins kleinste Detail ausgewertet. Die Datensammelwut ging mit dem Hype um Big Data los und ist mittlerweile eine regelrechte Datensammelekstase, geben doch so viele Menschen bereitwillig ihre intimsten Details preis. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit kommen die Gesetzgeber beim Reglementieren dieser alltäglichen Spionage nicht mehr hinterher und wollen es teils auch nicht. Im Gegenteil: die elektronische Patientenakte soll gleich die nächste Datenkrake werden.

Google, Microsoft, Facebook, alle können sie die Daten ergaunern, nur gelegentlich gibt es mal auf die Finger. Seitdem Snowden die Massenüberwachung durch die NSA enthüllte, gibt es sogar Verschlüsselung. Damit es komfortabel bleibt, behalten die Firmen gleich die Schlüssel. Natürlich zu unseren wohl.

Realitätsverweigerung ist die höchste Form der Entlastung: Vielflieger leugnen den Klimawandel, Antisemiten relativieren (oder leugnen) Vergewaltigungen am 7. Oktober, Männer beteuern, ihr bester Freund könne kein Vergewaltiger sein. Und Google User? Konfrontiert mit der Realität, flüchten auch sie aus der Unsicherheit in die Gleichgültigkeit: “ich habe ja nichts zu verbergen”.

Heute findet die Produktion nicht mehr nur durch unsere Hände, sondern vor allem in unseren Händen statt. Arbeitszeit und Freizeit wird im Internet verbracht, jedes Pixel zugemüllt mit lausigem, zunehmend KI-generierten Content; voller dreckiger Werbung in und zwischen den Zeilen. Durch TikTok, Pornhub, Windows und Google werden Menschen zum lukrativen Produkt. Ein Klick keinen Cent wert, aber genug, um mit der Flut aus Scheiße ein paar Tech-Bros zu Milliardären zu machen. Früher war mehr Crack, weniger Algorithmus. Heute gibt es den Rausch auch im Feed. Diese postmoderne Selbstzerstörung ist so zwar weniger sichtbar, doch schon lange ist klar: Wer Algorithmen denken lässt, verlernt das Denken. Auch nicht neu: Damals wie heute werden Frauen beherrscht, ausgebeutet und vergewaltigt, während die Welt zusieht.
Doch die beschleunigte Moderne bringt durchaus neue Qualitäten mit sich: So zeigte ein MRT Vergleich zwischen ChatGPT Nutzer:innen und solchen, die das Modell nicht nutzten, dass die neuen neuronalen Netze unsere eigenen verkümmern lassen. Die Gewalt gegen Frauen hört indessen nicht mal mehr im Frauenhaus auf, denn das Internet schläft nicht. Die Technik mag digital sein, doch der Schaden ist real.

Die wenigen unverseuchten Winkel des Internets werden von den Spinnen der AI-Crawler überlaufen, bis die Server unter der Last zusammenbrechen. Um den Konsum der Zerstörung geistiger Kultur weiter zu fördern, gibt es jedes Jahr genug neue Geräte, um zu vergessen, dass die aktuellen noch funktionieren. Der Logik des Produktionsapparates folgend werden die nun zum Schrott degradierten Artefakte über der Peripherie abgeworfen. Recycling ist, wenn die Giftstoffe (nachdem sie die Peripherie verseuchten) durch die Zyklen des Planeten (mit Zwischenhalt in jedem Winkel unseres Ökosystems) zu den Verursachern zurückfinden. Immerhin müssen Eisbären so nicht das Schmelzen der Arktis erleben, sondern können davor an Tumoren – ausgelöst durch PFAS oder Mikroplastik – verenden.

Man könnte meinen, der Kreislauf der Scheisze sei komplett, doch durch Transformer-Modelle entsteht inmitten des Strudels vermeintliche Intelligenz: Im Silicon Valley mutiert Eliza mit Energie aus (teilweise havarierten) Atomkraftwerken. Während Joseph Weizenbaum im Grab rotiert, simulieren stochastische Papageien durch ihr Geplapper Kommunikation, ohne ein Wort zu verstehen. Die Welt ist verzückt vom Zirkus.

Dialektik der Technologisierung

In diesem Moment müssen wir uns fragen, ob das die Zukunft ist, die wir uns wünschen.

Ob wir wirklich mit KI zum Mars wollen, oder nicht eher unsere Welt retten wollen. Und ob die, die mit Technik Natur und Menschen beherrschen, überhaupt ein Interesse an unserer Welt haben. Oder ob sie nur wie Papageien stetig von Fortschritt durch ihre Technologie plappern, ohne zu meinen, wovon sie “reden”.

Macht über Technik bedeutet Macht über Menschen. Vielleicht müssen wir Technik (und damit die Selbstbestimmung) zurückerobern. Wir, als Menschen, ohne Firmen, die nach Profit streben. Gemeinsam lernen, wie Technik funktioniert, Wissen offen teilen und zusammen freie Systeme schaffen, die Menschen dienen, nicht andersherum. Dabei meine ich gar nicht, dass alle auf einmal irgendwas mit Technik machen müssen, sondern, dass alle, die es wollen, es auch können. Und dass die, die noch gar nicht wissen, dass sie sich für Technik begeistern könnten, auch Räume haben, um in neue Welten abzutauchen.

Freiheit [setzt] die bewußte Erkenntnis jener Prozesse voraus, welche zur Unfreiheit führen, und die Kraft des Widerstands, die weder vor diesen Prozessen romantisch in die Vergangenheit flüchtet, noch sich ihnen blindlings verschreibt.

Horkheimer & Adorno (1952): Vorurteil und Charakter

Technik und Fortschritt fügt sich in die Dialektik der Aufklärung ein: Technologisierung ist nicht per se gut oder böse. Ihr wohnt ein regressives Moment inne, welches wir aktuell sehen. Sie kann uns aber auch ein gutes Leben bringen. Um die Nutzung von Technik zu verändern, müssen wir jedoch verstehen, wie sie funktioniert. Das gilt auch für rechtliche Rahmen (wie die Chatkontrolle oder Going Dark Strategie der EU) die oft fernab der technischen Realität geschaffen werden.

Explorative Technikaneignung ist unabdinglich, um uns die Macht über unsere Welt und damit Freiheit zurückholen. Hacker Spaces sind ein wunderbarer Ort genau dafür.

Doch wir dürfen nicht DEN Fehler der Vergangenheit wiederholen: Technik und die Macht darüber dürfen nicht wieder nur in den Händen von Cis-Männern liegen. Das hat uns überhaupt erst an diesen Punkt gebracht. Technologie muss von allen, für alle geschaffen werden! Technikaneignung durch FLINTA, und vor allem die Unterstützung dabei, ist feministische Praxis!

Aktuell machen Cis-Männer im Schnitt ca. 80% der Personen aus, die in Hacker Spaces aktiv sind. Das ist nicht gut, doch aktuell befindet sich die FOSS- und Hackerszene in einem historischen Umbruch und viele neue FLINTA kommen dazu. Darum lohnt es sich zu untersuchen, welche Erfahrungen FLINTA in diesen Räumen machen, was sie motiviert zu partizipieren und vor allem: Welche Hürden es dabei gibt. Und wie wir ihre, und damit auch allgemeine Partizipation in Hacker Spaces fördern können.

Die Forschung zu diesem Thema betrifft uns in jedem Moment unseres Lebens, in dem Technik existiert. Ich freue mich auf eine Zukunft, in der Technik kollektiv, mit & für Menschen, statt für den Profit der Einzelnen gestaltet wird. Bis es so weit ist, muss wohl noch etwas Haecksenwerk passieren… 
…und Forschung darüber, wie ebendies gefördert werden kann!